Todesursachen- und Schadstoffmonitoring für den Rotmilan (Milvus milvus) in Sachsen-Anhalt

Laufzeit: 01.10.2021 – 31.12.2024

Fördervolumen: 48.826,60 €

Fördermittel: Richtlinien zur Förderung von Naturschutz- und Landschaftspflegeprojekten (Naturschutz-Richtlinien)


Hintergrund

Basierend auf aktuellen Studien (z.B. Katzenberger et al. 2019) hat insbesondere die Mortalität bei juvenilen Rotmilanen in vergangenen 20 Jahren zugenommen. Diese verminderte Rekrutierungsrate zusammen mit dem dichteabhängigen Erstbrutalter führt erst zu einer kaum registrierbaren Abnahme der Nichtbrüter, bevor sie sich auf den Brutbestand auswirkt (Katzenberger et al. 2021). Die registrierte Bestandsentwicklung innerhalb Deutschlands ist mit Bestandszuwächsen im Südwesten und Bestandsabnahmen im Norden und Nordosten Deutschlands (so auch Sachsen-Anhalt) nicht einheitlich (Grüneberg & Karthäuser 2019). Das wirft unweigerlich die drängende Frage nach den Ursachen der regionalen Rückgänge in Sachsen-Anhalt auf. Durch eine Auswertung bisher registrierter Totfunde in Sachsen-Anhalt besteht mittlerweile eine ungefähre Vorstellung der Todesursachen von Rotmilanen in diesem Bundesland (Kolbe et al. 2019). Eine aktuelle Studie zeigt zum Beispiel auch, dass Rotmilane regelmäßig Pflanzenschutzmittel, insbesondere Rodentizide, aufnehmen (Badry et al. 2021). Auch die Teilergebnisse aus unserem Projekt „Bestands- und Reproduktionserfassung des Rotmilans (MIlvus milvus) in seinem Verbreitungszentrum“ zeigen, dass neben natürlichen Todesursachen wie Aspergillose auch anthropogen verursachte Todesfälle wie Vergiftung mit dem Pflanzenschutzmitteln auftreten.

Im Rahmen der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, Gärten und über andere Wege gelangen verschiedene chemische Stoffe und Stoffgruppen in die freie Landschaft (Natur). Ob Rotmilane solche potentiell problematischen Stoffe aufnehmen und diese möglicherweise eine Gefährdung für die Tiere/Art bedeuten, ist bisher nahezu unbekannt. Denkbar wäre, dass anthropogen eingebrachte Chemikalien Auswirkungen auf die Überlebensrate juveniler und adulter Rotmilane sowie auf die Reproduktion in der Natur haben können.

Eine gute Kenntnis über die Verluste in einer Population zu haben und potentiell problematische chemische Stoffe frühzeitig zu erkennen ist insbesondere bei Tieren, die am oberen Ende der Nahrungskette stehen, und diese Stoffe daher in ihrem Körper akkumulieren, sehr wichtig, um effektive Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.


Ziel

Das Projekt „Todesursachen- und Schadstoffmonitoring für den Rotmilan (Milvus milvus) in Sachsen-Anhalt“ soll einen Überblick über die aktuellen Gefährdungs- und Verlustursachen des Rotmilans gewinnen. Dazu ist geplant tote Rotmilane aus dem gesamten Bundesland zu dokumentieren und hinsichtlich möglicher, sowohl „natürlicher“ als auch die anthropogen verursachten, Todesursachen untersuchen zu lassen.

Die Ergebnisse dieses Projekts sollen zu einer besseren Kenntnis der Gefährdungsursachen bei der Verantwortungsart beitragen, um den Schutz des Rotmilans weiter voranzubringen und aktiv zu unterstützen.

Ergebnisse

Im Zeitraum von 2022 bis September 2024 wurden in Sachsen-Anhalt 82 Totfunde von Rotmilanen registriert. Im Rahmen des Projektes wurde 33 tote Rotmilane untersucht. Unter den Totfunden sind Kollisionen mit menschlicher Infrastruktur (Kollisionen an Straßen, Zugstrecken, Windenergieanlagen) besonders häufig. Bei 4,5 % der untersuchten Rotmilane konnte im Rahmen der röntgenologischen Untersuchung Schrotpartikel festgestellt werden, die auf einen Beschuss der Tiere schließen lassen, auch wenn dieser in mindestens zwei Fällen nicht unmittelbar tödlich war. Die parasitologische Untersuchung ergab, dass fast 85 % der Rotmilane mit Endoparasiten (Saugwürmer und Spulwürmern) infiziert sind. Die Prävalenz von Befall mit Ektoparasiten liegt hingegen nur bei 18,2 %.

Die Ergebnisse der Schadstoffuntersuchung zeigen, dass Blei bei allen untersuchten Proben nachweisbar war. Die bioakkumulierende Wirkung von Blei kann anhand der nachgewiesenen Konzentrationen in unterschiedlichen Altersklassen nachvollzogen werden. So ist bei adulten Rotmilanen eine höhere Bleikonzentration nachweisbar als bei jungen Tieren. Jedoch konnte keine klinisch relevante Dosis von Blei bei den untersuchten Rotmilanen nachgewiesen werden. Keines der untersuchten Veterinär-Pharmazeutika und technischen Chemikalien wurde in den Proben nachgewiesen. Bei den Pflanzenschutzmitteln erfolgte der Nachweis von drei Substanzen. Zwei dieser Wirkstoffe standen mit großer Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit illegaler Nachstellung und führten zur Vergiftung des Rotmilans.

Rodentizide wurden bei den untersuchten Rotmilanen in einer Prävalenz von 72,7 % nachgewiesen. Besonders häufig ist der Blutgerinnungshemmer Brodifacoum nachweisbar. Mehr als die Hälfte der untersuchten Rotmilane war mit dieser Substanz belastet. Besorgniserregend ist neben der hohen Prävalenz auch, dass juvenile Rotmilane prozentual häufiger betroffen sind als Altvögel.

Zum Expositionsweg der Rodentizide gegenüber dem Rotmilan gibt es zwar Vermutungen, doch konnte dieser bisher nicht anhand von empirischen Daten belegt werden. Da die Ausbringung von Rodentiziden in Köderboxen die einzige zugelassene Verwendung dieser Rodentizide darstellt, sollte darüber nachgedacht werden sie insbesondere für Kleinvögel unzugänglich aufzustellen. Die Zulassung der untersuchten Rodentizide sollte ursprünglich im Juli 2024 auslaufen. Durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2024/734 der Kommission vom 27. Februar 2024 sind diese Stoffe vorläufig bis 31.12.2026 zugelassen (Amtsblatt der Europäischen Kommission 2024/734; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32024D0734). Bis dahin soll über die zukünftige Verwendung dieser Wirkstoffe entschieden werden. Es wäre sinnvoll die vorliegenden Daten zu nutzen, um auf die Problematik von Sekundärvergiftungen durch Rodentizide aufmerksam zu machen, damit die Verwendung dieser Stoffe in Zukunft eingeschränkt wird.


Kontakt:

Leiter Rotmilanzentrum        
Martin Kolbe  
Am Kloster 1  
38820 Halberstadt
Tel.: +49 (0) 3941 58337437
mail: kolbe@rotmilanzentrum.de

Quellen

Badry, A., D. Schenke, G. Treu & O. Krone (2021): Linking landscape composition and biological factors with exposure levels of rodenticides and agrochemicals in avian apex predators from Germany. Environm. Research. 193, DOI: 10.1016/j.envres.2020.110602.

Grüneberg C. & J. Karthäuser (2019): Verbreitung und Bestand des Rotmilans Milvus milvus in Deutschland – Ergebnisse der bundesweiten Kartierung 2010–2014. Vogelwelt 139: 101 – 116.

Katzenberger J., E. Gottschalk, N. Balkenhol, M. Waltert (2019): Long‑term decline of juvenile survival in German Red Kites. Journal of Ornithology. https://doi.org/10.1007/s10336-018-1619-z

Katzenberger J., E. Gottschalk, N. Balkenhol, M. Waltert (2021): Density-dependent age of first reproduction as a key factor for population dynamics: stable breeding populations mask strong floater declines in a long-lived raptor. Animal Conservation. https://doi.org/10.1111/acv.12687

Kolbe, M., B. Nicolai, R. Winkelmann, E. Steinborn (2019): Totfundstatistik und Verlustursachen beim Rotmilan Milvus milvus in Sachsen-Anhalt. Vogelwelt, 139, 141–153.

 

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