Versprechen, die man nur schwer halten kann
Lieber Leser, als fleißige Bibliotheksnutzer kennen Sie natürlich unsere Benutzungs- und Gebührenordnung und wissen, dass sie für uns die Grundlage darstellt, um rechtskonform arbeiten zu können. Sie wissen, dass wir uns demnach immer absolut und unbeirrbar darauf stützen und uns bzw. Ihnen Ausnahmen – um den Verdacht der Willkür erst gar nicht aufkommen zu lassen – nie oder wenigstens so gut wie nie erlauben.
Bei mir persönlich hat das auch noch eine Vorgeschichte … eine prägende Vorgeschichte …, die ich wohl so schnell nicht vergessen werde … und die aus mir unerklärlichen Gründen von allen, die keine Rolle darin spielen, bisher immer als erheiternd empfunden wurde … eine Ansicht, die ich nicht immer teilen konnte …, aber mit der Zeit habe ich es überwunden und kann sie nun auch mit Ihnen, liebe Leser, teilen:
Sie wissen: Benutzerausweise sind personengebunden und nicht übertragbar – und falls Sie es nicht wussten: Gern geschehen ;-)
Daher können Eltern keine Medien über die Karten ihrer Kindern entleihen und brauchen ggf. einen eigenen Leseausweis.
Als nun – nur wenige Wochen, nachdem ich in der Stadtbibliothek Halberstadt als Bibliothekarin angefangen hatte – einmal eine junge Mutter mit ihrem (vielleicht 4-5-jährigen) Sohn (ich kann sowas irrsinnig schlecht schätzen …) in der ersten Ebene stehen blieb und mir erklärte, der Kleine habe ein Karte, sie aber nicht und sie wolle doch aber so gern ein Buch aus dem „Erwachsenenbereich“ ausleihen – nur dieses eine Mal – das sei eine absolute Ausnahme und komme dann bestimmt nie wieder vor – könnten wir da nicht mal eine Ausnahme machen, konnte ich doch nicht „Nein! Auf gar keinen Fall!“ sagen. Schließlich wollte ich die Mutter auch nicht vergraulen, was haben wir davon, wenn ich ihr dieses eine Buch, das zu lesen doch ihr Herzenswunsch ist, verwehre und sie vor lauter Frust und Enttäuschung mit dem Kind nicht mehr in die Bibliothek kommt? Ich sage es Ihnen: davon haben wir gar nichts – also sollte sie von mir aus ihre eine einmalige Ausnahme bekommen.
Ich sagte ihr aber gleich, dass meine Zustimmung oben am Infoplatz ihr absolut nichts nützen würde, wenn sie mit dem Buch zur Ausleihe ginge. Ich wolle ihr das Buch gern heraussuchen, aber beim Ausleihen müsse sie den Kollegen da unten glaubhaft versichern können, dass sie es ihres Kindes wegen bräuchte und daher auf dessen Karte ausleihen möchte. Sie versprach mir, dass sie das könne („Ja, klar, kein Problem! Das kriege ich hin!") und so versprach ich ihr, dass sie das Buch mitnehmen könnte … ausnahmsweise! Unser "Handel" war besiegelt.
„Sehr gut, dann suche es Ihnen gern heraus. Um welches Buch handelt es sich?“, fragte ich sie freundlich lächelnd … bis ich die Antwort hörte: „Charlotte Roche: Feuchtgebiete!“
Ok … also wirklich aus dem „Erwachsenenbereich“ …
Mit heutigem Abstand kann ich sagen, dass ich wohl selbst gern mein Gesicht in diesem Moment hätte sehen wollen … und nein, es kam kein Kamera-Team hervor … Das war keine schlechte TV-Show, sondern wirklich die Realität ...
Und nun musste ich ihr das Buch verschaffen - versprochen ist versprochen ...
Auch wenn ich auf die Erklärung beim Ausleihvorgang echt gespannt gewesen wäre, entschied ich mich lieber dafür, die Kollegen an der Ausleihe über „meine Ausnahmeerlaubnis“ zu informieren … Es war übrigens seither die letzte …