Über falsche Vorstellungen und reale Begeisterung
„Ihren Job möchte ich haben – den ganzen Tag lesen!“ – Ja, das höre ich öfter. Also wenn Sie meinen Job möchten, empfehle ich Ihnen zunächst den Erwerb des entsprechenden Abschlusses – in meinem Fall Master of Arts Bibliotheks- und Informationswissenschaft – aber Sie bekommen meinen Job auch schon mit einem Bachelor dieser Fachrichtung. Was Sie dann allerdings noch brauchen, ist eine freie Stelle und da wird es schon etwas komplizierter, aber glauben Sie mir, nicht unmöglich. Meine Stelle geb' ich allerdings nicht her, zumindest nicht dauerhaft. Da sollten Sie sich also nach einer anderen umsehen.
Und dann dürfen Sie auch den ganzen Tag lesen: E-Mails, Bestellzettel, Rezensionen von Neuerscheinungen in Ihren Lektoraten, Rechnungen, die Bestsellerliste (nicht die Bücher – nur die Titel, Autoren, ISBNs und gelegentlich die Inhaltsangaben), Projektberichte aus anderen Bibliotheken, Anleitungen für Apps und Geräte, Gesetze und Richtlinien, Ausschreibungen für Förderprojekte (die sind besonders spaßig – und zwar meist
unabsichtlich ...).
Lesen, lesen, lesen – den ganzen Tag lesen – aber Sie glaubten doch nicht wirklich, wir sprechen hier von Büchern, oder doch? Ich wollte Sie nicht desillusionieren, aber falsche Vorstellungen helfen Ihnen ja auch nicht weiter, schließlich wollen Sie meinen Job ...
Und nun muss ich Ihnen gestehen, dass Sie ehrlich gesagt nicht nur lesen, Sie dürfen in meinem Job auch viel schreiben: E-Mails, Bestelllisten, Veranstaltungsplanungen, Konzepte, einen kurzweiligen und charmanten Bibliotheksblog, Rechercheanfragen …
Ok, ich sollte meine Jobbeschreibung anders angehen, denn auch, wenn die viel geäußerte Vermutung darüber, wie die Arbeit als Bibliothekarin funktioniert, weit gefehlt ist, ist der Job wesentlich schöner als das gerade in dieser Aufzählung geklungen haben mag – und das obwohl ich wahrscheinlich die Hälfte meiner Aufgaben nicht erwähnt habe.
Tatsächlich ist es ein sehr abwechslungsreicher und erfüllender Job: Mal arbeitet man viel mit Menschen und nicht selten erhält man ein freudiges, dankbares Lächeln oder sogar leicht übertriebene Lobeshymnen für die tolle Arbeit – ja, nur leicht, denn wir arbeiten schon ziemlich toll – sage ich in aller gebotenen Bescheidenheit. 😉
Mal gibt es Aufgaben, die meine ganze Kreativität erfordern – und, was soll ich sagen? Diese Aufgaben machen mir persönlich besonders viel Spaß. Und dann wiederum arbeitet man auch mal "nur" mit Medien – tatsächlich hauptsächlich Bücher, nur, dass man sie eben nicht liest, zumindest nicht bei der Arbeit. Aber auch hier gibt es eine Reihe wichtiger Aufgaben, die Sie zwar nicht direkt sehen, aber glauben Sie mir: die Sie vermissen würden, wenn wir sie nicht mehr bearbeiteten.
Nun will ich Ihnen aber nicht verschweigen: ich sitze hier tatsächlich echt an der Quelle und es soll schon gelegentlich vorgekommen sein, dass ich auch mal das ein oder andere Buch ausleihen konnte, um es zu Hause, also nach Feierabend lesen zu können.
Und was dabei dann so rauskommt, also vorausgesetzt, das Buch hat mir denn dann auch gefallen, kann ich Ihnen gern am 27.04.2023 um 16 Uhr im Bibliothekskeller beim Literarischen Kaffeeklatsch zum Thema „In bester Gesellschaft … oder doch vollkommen allein?“ erzählen. Zusammen mit Frau Hahn stelle ich Ihnen da ein paar Bücher vor, die uns nicht losgelassen haben, vielleicht ziehen sie auch Sie in ihren Bann. Und wenn nicht, haben Sie eben einfach einen schönen Nachmittag in netter Gesellschaft … vermutlich ... 😉
Wir sehen uns – wenn Sie wollen …
Literarischer Kaffeeklatsch "In bester Gesellschaft - oder doch vollkommen allein?"
Donnerstag, den 27.04.2023 um 16 Uhr
Bibliothekskeller