Sprache im Wandel

Ich habe in meinen Social-Media-Veranstaltungen mit/für Jugendliche(n) gelernt, dass mein Wortschatz für die Ansprache von Personen mit der Intension diesen nicht zu schmeicheln ganz offensichtlich nicht auf dem neusten Stand ist. (Ich sehe auch keine direkte Notwendigkeit dafür, daran unbedingt etwas ändern zu müssen). Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es unheimlich wichtig ist, sich mit Trends und Tendenzen der eigenen Muttersprache und allen sonstigen Sprachen, die man gern und häufig spricht – abgesehen von Latein ;-) – zu beschäftigen. Digger, schwör, so wichtig!
Und das geht am besten, wenn man mit Jugendlichen spricht ... Ja, es liegt nahe, dass zukünftig nicht mehr klar erkennbar sein wird, was Subjekt, Prädikat und Objekt ist … oder worauf der Mensch da eigentlich hinaus will …, dafür wird die Genderthematik einfacher: aus „Mensch*innen“ ;-) werden einfach „Digger“.

Martin Luther – dessen Aussagen eher selten deckungsgleich oder auch nur kongruent mit meiner persönlichen Meinung sind – hatte seinerzeit schon festgestellt, dass es die Sprache der einfachen Leute ist, die man zum Maßstab der Dinge machen muss, um eine beständige Semiotik zu erreichen. Er hat das allerdings sehr unfein ausgedrückt („man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt […] auf das Maul sehen“) – obwohl sich auch diese Ausdruckweise im Verlauf der Zeit leider als zukunftsweisend herausgestellt hatte ... nicht unbedingt in allen Gesellschaftsgruppen … nicht unbedingt im täglichen Sprachgebrauch … aber inzwischen sogar schon auf Spielplätzen … Also 1:0 für Martin …
Aber worauf ich eigentlich hinaus will, ist: Wenn man nicht gerade seine wertvolle Lebenszeit damit verschwenden will, sogenannte „Reality-TV“- Sendungen zu sehen (Spoiler-Alarm: die sind alle „scripted Reality“) und dabei zu hören, wie immer mehr Gehirnzellen brüllen: „Schalt ab, oder ich bring mich um, ich schwör' es dir!“, dann sind die Möglichkeiten, die neusten Trends in Puncto Sprachwandel zu erfassen, eher limitiert.
Ich meine trotzdem auch, dass diese „Jugendsprachewörterbücher“ von PONS (falls sie denn überhaupt noch erscheinen) nicht die richtige Lösung sind, um an der Entwicklung der deutschen Sprache teilzunehmen – diese Bücher gab es schon, als ich noch ein „Teenie“ war und sie gaben mein Vokabular definitiv nicht wieder … nicht mal ansatzweise …, obwohl ich immerhin in der Lage war, mir die Bedeutung der aufgeführten Begriffe zu erschließen, ohne die dazugehörige Erklärung tatsächlich lesen zu müssen.
Vielleicht ist es auch gar nicht nötig, jeden (Sprach-)Trend zu kennen – und vor allem ist es wohl nicht nötig jeden mitzumachen – und wenn man einfach so „offen“ für Neues und insgesamt wissbegierig ist, wird man die wichtigsten Entwicklungen schon nicht verpassen ...
Ich persönlich frische mein Vokabular immer mal im Gespräch mit Jugendlichen auf und kann dabei feststellen, dass ich im Kontext durchschnittlicher Gespräche noch ganz gut Up-to-date bin und was einzelne verbale „Ausreißer“angeht, die zumindest in meinem Wortschatz keinen Platz finden, so stelle ich fest, dass diese bisher zumeist nicht allzu inhaltsträchtig und somit verzichtbar sind. Also bisher: keine Panik.

Für Leser, die etwas über den Wandel unserer Sprache erfahren möchten, sind Bücher von Bastian Sick eine gute Empfehlung. Zwar hält er an deutlich überalterten Vorstellungen der deutsche Sprache fest – und damit meine ich wirklich nicht demseine ;-) Abneigung gegen den Dativ sondern beziehe mich vielmehr auf seine Aversion gegenüber „Importvokabeln“, die meiner Meinung nach nun einmal auch Teil unserer Sprache (geworden) sind … Aber er hat definitiv manchmal auch Recht und an seiner Kritik lässt sich gut erkennen, wie "die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, [und der] gemeine Mann auf dem Markt" heute sprechen ...

Lesen Sie doch selbst gern einmal nach:
Unter I 143.1 finden Sie: Sick, Bastian: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ 1-6 sowie „Happy Aua“ 1+2 und „Hier ist Spaß garantiert“.

Quellenangabe des Lutherzitats: Luther, Martin: Sendbrief vom Dolmetschen. In: Luther, Martin: Die Hauptschriften, S. 345-356 (Zitat auf S. 349)

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