Ian McEwan: "Abbitte" - Buch und Film

Literaturempfehlung

 

Eher zufällig fand ich vor einiger Zeit beim Durchzappen „Abbitte“ und entschied dem Film aufgrund der vielversprechenden Beschreibung und der Starbesetzung eine Chance zu geben – umschalten kann man ja immer noch.
Und wow – ich war in den Bann gezogen: spannend, rührend, aufwühlend, schockierend, beklemmend - was für ein Wahnsinn! Einige Szenen waren mir persönlich zu derb, aber im Gesamtkonstrukt war es dann doch wieder alles stimmig – und was für eine starke Message er transportiert!
Ich war total begeistert. Das Buch, auf dem dieser erstklassige Film basiert, musste ich einfach lesen.

Gesagt, getan. Und schon nach wenigen Seiten stellte ich fest: Das Buch ist noch viel viel viel viel viel viel besser. Auf erstaunliche Weise schafft es Ian McEwan, dass man als Leser meint, irgendwie die ganze Zeit im Kopf der jeweiligen Figur zu sitzen – noch nie hatte ich das Gefühl, dass der personale Erzähler so persönlich wird – bevor man schließlich merkt: es ist nur eine einzige Figur, deren Innerstes sich zeigt.
Und während ich Seite für Seite „Abbitte“ verschlinge und nachts nicht mehr richtig schlafen kann, weil das Schicksal der Figuren mich einfach nicht loslässt, frage ich mich, wie der Film das denn eigentlich umsetzen konnte?! Schließlich ist man beim Film doch immer irgendwie „außerhalb“ – eher beobachtend. Und als ich mit einem Seufzen das Buch nach der letzten Seite zuklappe, steht fest: ich muss den Film nochmal sehen – von der Front träume ich ohnehin schon jede Nacht und die anderen pikanten Szenen habe ich ja beim ersten Sehen auch überstanden.
Und was soll ich sagen: auch beim zweiten Schauen ist der Film großartig. Nun fallen mir Feinheiten und Details auf, die den Versuch erahnen lassen, das Konzept des Buchs leise und unaufdringlich aber trotzdem unübersehbar (sofern man das Buch kennt) umzusetzen und trotzdem keinen plumpen Versuch darstellen, über die doch eher begrenzten Möglichkeiten des Films hinauszugehen. Obwohl die Handlung bleibt und das Konzept des Buches (bestmöglich) umgesetzt wird, entsteht ein völlig neues Werk und genau damit wird das Buch in der besten Weise umsetzt.
Buch und Film – beide empfehlenswert in jeder Hinsicht!

Ian McEwan : Abbitte
Es geht um Lügen, gesellschaftliche Schranken, Vorurteile, Ungerechtigkeit und den Umgang mit Schuld, verstrickt in eine Erzählung, die Erlebnisse und persönliche Schicksale so direkt schildert, als ob sie der Kern des Romans wären und nicht – wie es wirklich ist – diese tiefgründige, geradezu philosophische Analyse menschlichen (Fehl-)Verhaltens.

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