Auch für Leser, die nicht "Mischa" heißen

Literaturempfehlung

Liebe Leser,
heute empfehle ich Ihnen ein Buch, das bereits 2012 erschienen ist und 2014 als Buchgeschenk den Weg in unseren Bestand gefunden hat. Sie denken jetzt wahrscheinlich: „Wow. Wenn das mal keine aktuelle Literaturempfehlung ist …“
Aber tatsächlich ist es trotzdem aktuell – immer noch aktuell – und (leider auch) immer wieder aktuell.
Es ist humorvoll, gut nachvollziehbar und informativ geschrieben und erscheint wie eine Sammlung kurzer Essays oder Erlebnisberichte, manchmal wie ein Ratgeber, ok, eher selten wie ein Ratgeber. Tja, was soll ich sagen, es ist eben einfach ein kurzweiliges Buch, das den schwierigen Bogen schafft, über Judentum, Antisemitismus, Einwanderung, das Leben in Deutschland und die Zukunftssorgen einer (jüdischen) Mutter zu sprechen.
Und so heißt es logischerweise: „Lieber Mischa … der du fast Schlomo Adolf Grinsblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude“ – eingängiger und prägnanter Titel, nicht wahr?
Tatsächlich, liebe Leser, hätte das Buch nicht anders heißen dürfen (es sein denn, der angesprochene Mischa hätte einen anderen Vornamen erhalten – aber das ist nicht der Punkt, auf den ich hinaus will): Denn der Titel ist Programm – und damit meine ich nicht ausschließlich das offensichtliche Thema, sondern vielmehr die Art, wie umständlich man sich in wohldurchdachten, unverschachtelt-komplexen Satzkonstruktionen um das zu Sagende – und manchmal auch eigentlich Unsagbare – herumwinden und es schließlich doch in einer kurzen Pointe knackig raushauen kann – eine Fähigkeit, die mir selbst ja völlig fremd ist. Lena Gorelik beherrscht diesen Schreibstil und als Leser kann man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen – ernsthaft: Ich würde es jetzt gerade auch lieber lesen, als es zu rezensieren und ich schreibe wirklich, wirklich, wirklich gern den „Freitagsblog“.
Ich empfehle Ihnen also wärmstens das Buch „Lieber Mischa : ...der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude...“ von Lena Gorelik – nicht nur wegen des ansprechenden Schreibstils, sondern auch, weil Antisemitismus offensichtlich immer noch ein großes Problem in Deutschland ist; auch, weil es immer noch Menschen gibt, denen nicht klar ist, dass das Judentum eine Religion und keine Staatsangehörigkeit ist; und auch, weil dieses Buch neben vielen anschaulichen Beschreibungen des IST-Zustandes eine Zukunftsidee vermittelt, in der die Frage „Wie ist es, als Jude in Deutschland zu leben?“ nicht mehr relevant ist, weil es normal ist (ebd., S. 181) – ein Zukunftsbild, von dem ich mir wünschen würde, dass das die Beschreibung des IST-Zustands wäre …

 

Diese und weitere Literatur zum Thema:

Lena Gorelik: Lieber Mischa : ...der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude...                                                                                                         E 834

Deborah Feldman: Unorthodox : eine autobiographische Erzählung                    E 834

Jaap Tanja: Alle Juden sind ... : 50 Fragen zum Antisemitismus                             D 109

Deborah Feldman: Überbitten : eine autobiografische Erzählung                         E 834

Christian Staffa: Vom Protestantischen Antijudaismus und seinen Lügen: Versuche einer Standort- und Gehwegbestimmung des christlich-jüdischen Gesprächs                                                                                                    E 801

Levi Israel Ufferfilge: Nicht ohne meine Kippa                                                        D 109 (bestellt)

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