Hilfe! Ich habe ein Känguru in meinem Kopf...

Literaturempfehlung

[(c): Pixabay]


„Ist dir eigentlich klar, dass total viele Leute deine Bücher als Klolektüre benutzen?“ „Habe davon gehört“, sage ich „Und all jenen Menschen möchte ich an dieser Stelle zurufen: Erwischt!“
(Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe)

Regelmäßige Blogleser wissen vielleicht: ich fange üblicherweise nicht mit einem Zitat an. Aber im Bemühen, dem Leser einen möglichst authentischen Eindruck in das von mir empfohlene Werk zu vermitteln, versuche ich dessen Eigenheiten (notfalls auch durch direkte Adaption) anschaulich wiederzugeben. Und die falsche Zuordnung von Zitaten am Anfang der einzelnen Kapitel ist eine prägende Charakteristik der Känguru-Trilogie.
Spoiler-Alarm: das vorangestellte Zitat ist eigentlich ein Teil einer Unterhaltung zwischen dem Känguru und dem Ich-Erzähler (hin und wieder auch einfach „Marc-Uwe“ genannt) und entstammt tatsächlich den „Känguru-Apokryphen“ – dem vierten Teil – denn jede gute Trilogie hat schließlich sechs Teile. Ich hoffe, Marc-Uwe Kling weiß das auch… (kurzer gedanklicher Exkurs: was sagen Star-Wars-Fans eigentlich heute? „Jede gute Trilogie kann unbegrenzt weitergeführt werden und beliebig viele Vor- und Zwischengeschichten erzählen.“?)
Zurück zum Thema: Das Känguru. Bei allen vier Büchern handelt es sich um Satire in Reinkultur. Bitterböse, aber wahr. Gesellschaftskritisch, aber nicht mit gehobenem Zeigefinger moralisierend. Witzig, oder doch todernst?
Das eindeutig in der DDR sozialisierte und aus tiefstem Herzen kommunistische Känguru, dessen Biografie unzweifelhaft sehr präzise recherchiert wurde, ist nicht nur flexibel, belastbar, innovativ, kreativ, teamfähig, begeisterungsfähig und kreativ, sondern zudem auch schlagfertig (im wörtlichen und übertragenen Sinn) und witzig.
Einziger Schwachpunkt: die kleptomanische Ader des Beuteltiers passt nicht unbedingt zu seiner omnipräsenten scharfsinnigen Kritik an Ausbeutung und sozialer Ungleichheit – kurz Kapitalismus – denn es scheint ja doch auch lieber zu nehmen als zu geben, zumindest was Konsumgüter anbelangt... ansonsten teilt es eigentlich ganz gern aus...
Alles in allem trotzdem sehr lesenswert: Anspielungen haben durchaus Tiefgang und die Gags kommen – wenn auch nicht immer völlig unerwartet – immerhin natürlich. Der erfrischende Stil des Autors lässt inhaltsschwächere Kapitel leicht verzeihen und die Handlung folgt, trotz vieler unabhängiger „kleiner“ Episoden einer klaren Linie. Die Bücher sind einfach klasse und die Hörbücher (vom Autor selbst gelesen) toppen tatsächlich sogar noch das Lesevergnügen.
Ich selbst habe die Hörbücher erst 10-12 mal gehört, aber musste bei der Vorbereitung dieser Rezension feststellen, dass sie sich scheinbar schon sehr stark in mein Unterbewusstsein gegraben und dort manifestiert haben (Wortwitz beabsichtigt): Bis heute war mir nicht bewusst, dass der Untertitel des ersten Bandes „Die Känguru-Chroniken“ ernsthaft „Ansichten eines vorlauten Beuteltiers“ lautet! Da stelle ich irgendwie gewisse Formulierungsparallelen zum Blogtitel fest, die ich vorher definitiv niemals bemerkt oder auch nur vermutet hatte. Nun überlege ich, ob ich den Blog umbenennen muss, oder dem Autor auf eine mögliche Unterlassungsklage nur antworten soll: „Mein, dein, das sind doch bürgerliche Kategorien!“

Für alle, die nun Lust bekommen haben, Marc-Uwe Klings Känguru-Trilogie zu lesen oder sich anzuhören: in der Onleihe (www.biblio24.de) finden Sie: „Die Känguru-Chroniken“ , „Das Känguru-Manifest“ und „Die Känguru-Offenbarung“ als eAudio, sowie „Die Känguru-Chroniken“ und „Die Känguru-Apokryphen“ als eBook, letzteres können Sie sich auch gern analog bei uns ausleihen – aber bitte (!) nutzen Sie es dann nicht als „Klolektüre“ …

© Maria Schmidt E-Mail

Zurück

Zurück
Nach oben