Die Domburg. Zentrale des Bistums, Herrschaftssitz der Bischöfe
Der Domplatz liegt auf einer natürlichen Flussterrasse. Er erstreckt sich etwa über 600 Meter in der Länge und hat eine Breite von rund 150 Metern. Seine Gesamtfläche beträgt heute rund 90.000 m². Das er in früheren Zeiten einmal befestigt war, lässt sich trotz jahrhundertelanger Umgestaltungen noch heute gut erkennen oder zumindest erahnen.
Der Nachweis von insgesamt vier zeitlich aufeinander folgenden Befestigungsanlagen konnte im Zuge des Wiederaufbaus der Stadt nach den Zerstörungen des Jahres 1945 erbracht werden. Die Türme des Domes und der Liebfrauenkirche markieren auf dem Domplatz die Lage der Domburg, den früheren Sitz der Bischöfe von Halberstadt. Von dieser Burg sind nur wenige Spuren erhalten geblieben. Deutlich zeichnet sich ihr Gebiet als großes in West-Ost Richtung liegendes Oval im Grundriss der Stadt ab. Auffällig ist die exponierte Lage, vor allem der große Höhenunterschied nach Norden zum Flusstal der Holtemme. Straßen, wie der Grudenberg und der Hohe Weg, folgen dem Geländeabfall nach Norden. Besonders eindrucksvoll lässt die Gasse des Tränketors noch die alte Geländesituation erkennen.
In folgenden Grabungen der 50er Jahre fanden die Archäologen innerhalb des stark beschädigten Domgebäudes die Fundamentreste der Vorgängerbauten seit dem 9. Jahrhundert. In den 1970er Jahren kamen umfangreiche Reste der früheren Wall-Graben-Konstruktion zum Vorschein. Weiter Grabungen lieferten zusätzliche neue Erkenntnisse über das Werden und Wachsen dieser Burganlage.
Nach den aus den schriftlichen und archäologischen Quellen gewonnenen Ergebnissen lässt sich folgendes Bild von den Anfängen der Halberstädter Domburg skizzieren: Bald nach dem Bau einer ersten christlichen Missionskirche auf dem östlichen Domplatz gegen Ende des 8. Jh. erfolgte die Erhebung zum Bischofssitz. Mit dem Aufstieg zu einem geistlichen Zentrum der Region begann der Ausbau des natürlichen Plateaus zu einer gesicherten Burganlage.
Im Westteil der Domburg lag zu dieser Zeit ein vielleicht abgetrennter Siedlungsteil mit eingetieften Gebäuden. Sie dienten nach den Grabungsergebnissen als Werkstätten, wohl vorwiegend der Tuchherstellung.Von den ursprünglich fünf Zugängen zur Domburg sind heute noch vier erhalten geblieben. An der Südseite des Platzes befindet sich der älteste Hauptzugang zur Burg. Hier, in der Straße Unter den Zwicken, zwischen dem Renaissancebau der Dompropstei und dem neoromanischen Gebäudekomplex der Post, stand das 1361 als Duestern dore erwähnte Düstere Tor. Ein weiterer Zugang, das Drachenloch, befindet sich an der Südwestseite des Platzes, dicht südlich der Liebfrauenkirche. Es wurde 1385 als dore by unser Frowen bezeichnet. Seit dem 19. Jh. wird es Drachenloch genannt. Der Überlieferung nach wurde durch dieses Tor während des Mittelalters im Rahmen eines Spieles der Drache als Symbol des Winters aus der Burg vertrieben. Ein Flügel dieses Drachens befindet sich heute noch im Domschatz. Im Norden, rechts vom Petershof, befindet sich die Peterstreppe. Sie wird 1278 als areas sub gradu s. Petri erwähnt und stellte die Verbindung von der Burg zum bischöflichen Vogteigebiet her. Im mittleren nördlichen Bereich des Domplatzes befindet sich das Tränketor. 1339 wird es als drenkedore in der borch beschrieben. Das Vieh der Burg führte man hier zur Tränke in das Holtemmetal.
An der Ostseite der Domburg befand sich in der Nähe des Gleimhauses bis 1973 noch ein weiterer Zugang, die Burgtreppe. 1377 wird dieser Zugang erstmals genannt: unde by den graden, wan man ged von deme selben Honwege in dy borg. Seit 1878 führt ein neuer Zugang, der Domgang, vom Hohen Weg aus der Richtung Martinikirche zur Südostseite des Domplatzes.
Nach Norden und Nordosten begrenzt ein vorwiegend aus Sandsteinquadern errichteter Mauerzug in den Straßen Düsterngraben, Lichtengraben und am Hohen Weg das Areal der Burg. Weitere Reste der Mauer befinden sich auf den Grundstücken im Südwesten der Domburg.
Um 804 war der Bischofssitz in Halberstadt errichtet worden. Die Domburg mit der bischöflichen Residenz, der Missions- und Taufkapelle und weiteren Gebäuden war durch Gräben und Wälle geschützt. Später kamen aus Gründen erhöhter Sicherheit und der Repräsentation Mauern und massive Toranlagen hinzu.
Großartige Sakralbauten, wie der 859 geweihte karolingische Dom, sein 992 geweihter ottonischer Nachfolgebau und der 1236 begonnene und 1491 geweihte gotischen Dom prägten die Ostseite der Domburg. Auf der Westseite kamen im 11. und 12. Jh. die Vorgängerbauten der Liebfrauenkirche und des Bischofspalastes Petershof hinzu. Der östliche Teil des Domplatzes wurde über Jahrhunderte als Friedhof genutzt. Wie der westliche Teil des Platzes genutzt wurde ist nur zum Teil bekannt.
Nach der schriftlichen Überlieferung befand sich die bischöfliche Wohnung aus der Frühzeit des Bistums dicht nördlich des heutigen Domes. Ihre Lage wird in dem Grundstück dicht östlich neben dem Städtischen Museum vermutet. Im 11. Jh. entstand auf der Westseite der Domburg ein neuer repräsentativer Bischofspalast, der Petershof. Ein Turm des 12. Jh. und jüngere Nachfolgebauten blieben erhalten und wurden bis zur Aufhebung des Bistums im Jahre 1648 von der bischöflichen Regierung genutzt. Heute befinden sich hier die städtische Verwaltung und die Stadtbibliothek.Dem Bischof standen Helfer zur Seite, die in klösterlicher Gemeinschaft in der Domklausur nach den Regeln der vita communis lebten. Seit dem 11. Jh. verließen sie diese Gemeinschaft und begannen mit dem Bau eigener Domherrenkurien. Ausgrabungen des Jahres 2006 brachten auf dem Grundstück dicht westlich des Städtischen Museums die Baureste einer Kurie des 12. Jh. zum Vorschein. Die Kurien säumten wie ein Kranz den Domplatz. Im Stadtplan fallen die großen Grundstücke dieser Kurien ins Auge. Der heute noch erhaltene Baubestand aus dem 18. Jh. prägt den Domplatz. Die Spiegelsche Kurie, in der sich das Städtische Museum befindet, ist ein schönes Beispiel für diese Bauten.