Unsere neuen (Sachbuch-)Bestseller

Teil 3

 

Liebe Leser,
es nimmt kein Ende mit den möglichen Empfehlungen für Sachbuchbestseller, und nach drei Wochen kann ich ja auch ruhig mal wieder ein paar Empfehlungen raushauen, oder ?
Ich will Ihnen auch nicht verschweigen, dass über meinen Schreibtisch auch noch viele andere Bücher gehen, die sehr lesenswert zu sein scheinen und daher eine Empfehlung verdient hätten, auch wenn sie es (bisher) nicht auf die Bestsellerliste geschafft haben. Aber dafür – zumindest in dieser Woche – kein Platz …
Also dann möchte ich Ihnen heute folgende Bestseller empfehlen:

1) Alexei Nawalny: „Schweigt nicht! Reden vor Gericht“ – schon wenige Sätze reichen, um zu verstehen, warum Putin Nawalny nicht leiden kann: Nawalny äußert harsche Kritik an Putin und Russland, aber vor allem an den dort herrschenden Zuständen – zum Teil selbstinszenierend und oft spöttisch bis witzig, (und man weiß ja, wie sehr Putin es liebt, kritisiert zu werden), unterfüttert das Ganze dann auch noch dreister Weise mit Belegen (ja, ok, er nimmt sich die Deutungshoheit, wenn nicht sogar den Anspruch auf moralische Bewertung der von ihm vorgetragenen Fakten und reiht seine Aussagen so geschickt aneinander, dass es schon eines ziemlich umfangreichen Hintergrundwissens bedarf, um folgen zu können – zum Glück gibt’s im Buch Anmerkungen) und legt dabei auch noch diese freche Erhabenheit an den Tag – nicht hochmütig und trotzdem eindeutig überlegen führt er den „diebischen Opa“ (ebd., S.17) mit rhetorischem Kunstgeschick regelmäßig vor. Keine Lektüre für eingefleischte Putin-Groupies, sonst sehr lesenswert – auch ohne entsprechende Vorkenntnisse zur Lage in Russland.

2) Nena Schink: „Ich bin nicht grün“ – der beste Beweis dafür, dass „gute Politik“ immer eine Perspektivfrage ist. Hätte ich nicht Auszüge aus S. Wagenknechts letztem Buch gelesen, hätte es dieses Buch nicht in meine Empfehlungen hier geschafft. Wie in jedem Buch gilt auch hier natürlich: Ich muss nicht alles gut finden, was die Autorin schreibt, ich muss ihre Meinung nicht teilen, aber ich muss vernünftig beurteilen können, ob ich das Buch insgesamt für lesenswert halte … und da bin ich jetzt wirklich hin- und hergerissen. Zunächst einmal befindet sich die Autorin als bekennende Konservative sowas von außerhalb aus meiner Bubble, dass inhaltliche Differenzen gar nicht ausbleiben können. Sie erklärt, was sie unter „konservativ“ versteht und das entspricht absolut nicht meinem Verständnis davon (obwohl ich auch Latein kann und weiß, was „conservare“ bedeutet – die Frage ist eben, was man denn da bewahren möchte und wie es am besten bewahrt werden kann). Aber das ist ok – man muss nicht einer Meinung sein, man kann streiten, sagt auch Michel Friedman („Streiten? Unbedingt!“ – übrigens ebenfalls ein Bestseller).
Was mir persönlich nicht behagt, sind N. Schinks Deutungen. Ich würde nicht soweit gehen, die Art und Weise, in der sie Fakten darstellt, populistisch zu nennen, aber ungenau und stark schemenhaft ist sie in ihrer Argumentation schon (von der Tatsache mal abgesehen, dass ich journalistische Texte (also einen Großteil der genannten „Quellen“) sowieso nicht als verlässliche Quelle inhaltlicher Informationen, sondern mehr als Meinungsbild verstehe – aber das sieht sie, selbst Journalistin, dann wohl ebenfalls anders).
Was an „Ich bin nicht grün“ allerdings mal erfrischend ist: Fällt Ihnen, liebe Leser, auch nur ein „grünkritsicher“ Bestseller der letzten Zeit ein? Nein? Mir auch nicht – und Vielfalt macht eine Gesellschaft doch erst richtig gut – das gilt auch für Meinungsvielfalt.

3) Moritz Neumeier: „Urlaub trotz Kindern" – witzig, spritzig kurz, knackig – eindeutig kein Ratgeber oder Reiseführer. Mein persönlicher Lerneffekt: Es kommt überhaupt nicht auf die (Beziehungs-)Biografie der Eltern an, im Kern sind viele Familien dann doch irgendwie gleich: Es gibt die, die mit sachlichen, schlüssigen Argumenten und einem unwiderstehlichen Charme den Takt angeben und deren Eltern. Die Episoden sind mitten aus dem Leben – würde ich zumindest mal vermuten – und wahrscheinlich nur ganz leicht übertrieben bzw. ausgeschmückt – auch eine Annahme meinerseits. Liest sich gut zwischendurch und verfolgt nicht den (manchmal ziemlich anstrengenden) Ansatz, Eltern darüber aufklären zu wollen, wie sie das, was sie alles falsch machen (weil sie nämlich instinktiv alles falsch machen) besser machen können.

So, aller guten Dinge sind drei (auch wenn sich vielleicht ein vierter versteckter Buchtipp dazu geschummelt haben könnte), damit verabschiede ich mich für diese Woche und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

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