Dann mal zur Sache
Geschichten aus dem Bibliotheksalltag
Dass Romane bei den meisten Lesern oft gefragter sind als Sachbücher, ist kein neuer Trend, das wurde auch in Bibliotheken schon vor vielen Jahren erkannt und schlägt sich natürlich in unserem Bestand auch deutlich nieder – ganz wegzudenken ist die Sachliteratur aber nicht. Bibliotheken erfüllen neben dem Zweck der entspannten Freizeitgestaltung auch weiterhin einen Bildungszweck und der lässt sich durch fiktionale Literatur natürlich nicht bedienen. Das klingt jetzt irrsinnig trocken, als hätte ich gesagt: Lerne, du sollst keinen Spaß haben! Tatsächlich kann es aber auch Freizeitgestaltung sein, sich neues Wissen und/oder neue Fähigkeiten anzueignen, also sich zu einem Thema zu belesen – sogar manchmal viel spaßiger als einen Roman zu lesen oder einen Film zu sehen, der sich als persönlicher Fehlgriff entpuppt.
Spaß mit/durch Sachliteratur: klappt. Gesicherte, brauchbare Informationen aus Romanen: hm … tja … ich bin mir da nicht so sicher … entscheiden Sie doch mal:
Es liegt schon ein paar Jährchen zurück (das sage ich Ihnen, damit Sie wissen, dass die nachfolgende Begebenheit nicht taufrisch ist und sich unser Bestand seither auch wieder etwas verändert hat …), aber es handelt sich wie immer, wenn ich unsere Geschichten aus der Bibliothek mit Ihnen teile, um eine wahre Begebenheit:
Eine Leserin, die fit und agil aber dem nötigen Maß an Freizeit die Welt oder zumindest Teile davon bereisen wollte, wollte sich vor ihrem anstehenden Rom-Urlaub gut informieren. Sie wollte alles über Michelangelo wissen. Sie habe ja gerade ein Buch abgegeben, in dem das alles ganz toll erklärt war und ob ich denn wisse, dass Michelangelo und da Vinci sich nicht leiden konnten. Tatsächlich weiß ich über keinen der beiden besonders viel – was vielleicht daran liegen könnte, dass mich Biografien von Künstlern insgesamt nicht so besonders interessieren, aber das konnte ich ihr ja nicht einfach so sagen. Also entschied ich mich für ein höfliches „Nein, das wusste ich noch nicht.“ Jedenfalls würde sie nun bald nach Rom reisen und da müsse sie unbedingt noch ganz viel über Michelangelo lesen, weil sie ja auch die Sixtinische Kapelle besuchen werde …
Zur selben Zeit in meinem Kopf: „Ach, der war das. Bestimmt möchte sie gleich noch eine Biografie oder mindestens einen Reiseführer. Ob ich wohl schon unauffällig suchen kann? Nee, lieber abwarten, vielleicht sagt sie ja gleich, was sie schon hatte oder jetzt braucht sie noch etwas ganz anderes.“ Um hier kein falsches Bild zu erzeugen: Ich habe ihr die ganze Zeit aktiv zugehört, was ich dann auch gleich mit der richtigen Literaturempfehlung hätte beweisen wollen … aufmerksam und effizient … so hatte ich es zumindest geplant ...
Und da müsse sie jetzt aber noch ein bisschen was lesen, schließlich wolle sie – wenn möglich – vor ihrer Reise alles lernen, dann wisse sie dort genau Bescheid.
Das war‘s, mehr kam nicht – keine weitere Frage, kein konkreter Wunsch, einfach nichts weiter. Etwas verunsichert fragte ich also: „Soll ich Ihnen jetzt noch eine Michelangelo-Biografie raussuchen?“ und ich sollte. Während ich die Suche begann, fragte ich sie, ob sie denn noch wisse, wie das Buch, das sie schon hatte, hieße oder sich an den Autoren erinnern könne, dann könnten wir dieses gleich ausschließen. Und schon hatten wir alle Treffer, die das Kunstregal so an Michelangelo-Biografien hergab. Und das Buch, das sie hatte hieß „Michelangelo“. Liebe Leser, was soll ich Ihnen sagen? Falls Sie es jetzt nachrecherchieren wollen, Achtung Spoiler: ALLE Michelangelo-Biografien in unserem Bestand heißen irgendwie „Michelangelo“.
Na gut, dachte ich, sie wird das Buch, das sie gerade abgegeben hat, ja schon wiedererkennen, dann gehen wir am besten mal direkt ans Regal. Ich bat sie höflich, mich zu begleiten, denn Kunst steht bei uns – treffender hätte es für diesen Fall nicht sein können – in der Kapelle. Sie weigerte sich. „Ok … tja, dann bitte haben Sie einen kleinen Moment Geduld, ich hole die Bücher schnell hoch.“ Wieder erhielt ich Ablehnung. Sie wolle kein Kunstbuch. Ich versuchte ihr zu erklären, dass die Michelangelobiografien eben dort zu finden seien, weil er Künstler war, das bedeute nicht automatisch, dass wir hier von Bildbänden sprächen. Nein, sie wolle kein Sachbuch!
Sind Sie jetzt verwirrt? Ja? Gut! Das war ich nämlich auch! Ich versuchte, ihr schonend beizubringen, dass ich jetzt nicht genau wusste, was sie von mir erwartete. Die Antwort wird sie umhauen: „Ein Buch über Michelangelo!“
Liebe Leser, ich bin blond und ich denke, so wie es hier ablief, wäre es auch im Film „Natürlich Blond“ abgelaufen, wenn Reese Witherspoon Bibliothekarin statt Anwältin geworden wäre: „Aber kein Sachbuch?“ „Nein!“ „Sie wollen ein Buch über Michelangelo, aber kein Sachbuch?“ „Ja.“ „Aber sie wollen doch etwas über ihn lernen?“ „Ja!“ „Sie wollen etwas über Michelangelo lernen, aber keine Biografie?“ „Doch, eine Biografie.“ „Also doch, ok, ich geh mal kurz runter.“ „Nein! Von hier oben!“ „Von hier oben?“ „Ja!“ „Also einen Roman???“ „Ja!!!“
Es stellte sich nun heraus, dass sie Irving Stones „Michelangelo : biographischer Roman“ gelesen hatte und nun etwas derartiges suchte. Ich konnte ihr Leon Morells „Der sixtinische Himmel“ geben und glaube ganz persönlich nicht, dass sie daraus wirkliches Faktenwissen beziehen konnte, aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich (Wortwitz beabsichtigt …).
Liebe Leser, falls Sie sich fragen, was es mit dem Vergleich des Dialogs mit dem Film „Natürlich blond“ auf sich hat, dann empfehle ich Ihnen, einfach mal in die Bibliothek zukommen, den Film zu entleihen und anzusehen, dann verstehen Sie mich sicher sofort.
Und DVDs stehen bei uns seit kurzer Zeit in der Kapelle – das passt also auch ;)
Und ein paar schöne Sachbuchempfehlungen gibt es dann ab nächster Woche …