BCKategorie 21.09.2015 09:27:53 Uhr

Rede von Oberbürgermeister Andreas Henke

"Wir lassen uns nicht davon abbringen, gemeinsam einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Wir meinen es ernst, Erfolg wird an der Wirkung für die Bürger gemessen", so die Worte des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Wolfsburg, Herrn Werner Schlimme, anlässlich des Besuches Halberstädter Stadtverordneter zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages in Wolfsburg. Und dass es Ihnen in der Tat ernst war, haben wir Halberstädter in der darauf folgenden Zeit erfahren dürfen. Gern wäre Herr Schlimme, den ich im vergangenen Jahr zur Festveranstaltung zum 70jährigen Jubiläum der Stadtgründung Wolfsburgs persönlich kennenlernen durfte, heute bei uns gewesen, jedoch ließ eine gesundheitliche Beeinträchtigung dies nicht zu. Und so möchten wir von hier aus die herzlichsten Wünsche und Grüße an ihn senden.

Liebe Ehrengäste und Freunde, liebe Ratsmitglieder unserer Partnerstadt Wolfsburg, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jeworrek, sehr geehrter Ehrenbürger der Stadt Wolfsburg, Herr Kolbe, sehr geehrter Herr Oberstadtdirektor a.D., Herr Prof. Dr. Lamberg, sehr geehrter Stadtratspräsident Dr. Bürger, sehr geehrter Ehrenbürger der Stadt Halberstadt, lieber Herr Hartmann. Sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrates Halberstadt, liebe Halberstädterinnen und Halberstädter, liebe Theaterfreunde.

Das Zustandekommen von Städtepartnerschaften wie wir sie heute kennen, geht zurück auf das Jahr 1951, zur Gründung des Rates der Gemeinden Europas. Die zugrundeliegende Idee war ein vereintes und friedliches Europa, das von Verständigung, wirtschaftlichem und kulturellem Austausch geprägt war. In der darauf folgenden 89er Jahren erlaubte eine Lockerung zwischen Ost- und Westdeutschland auch Partnerschaften zwischen beiden deutschen Staaten. Erste Initiativen ergriffen in Niedersachsen lebende Halberstädter wie Alfred Keil, denen nie gleichgültig war, was in ihrer Heimatstadt passierte, die in den Jahren zuvor trotz der Grenze die Entwicklung ihrer Stadt verfolgt haben, die nie aufgehört haben, daran zu glauben, dass eines Tages der Besuch ihrer Geburtsstadt ohne Visum und Kontrolle möglich sein würde. So kam es Anfang 1989, zu einem Zeitpunkt, als niemand ahnte, dass wenige Monate später eben diese trennende Grenze durch die friedliche Revolution zu Fall gebracht werden würde, zur Vereinbarung über die Städtepartnerschaft zwischen Wolfsburg und Halberstadt.

Im Artikel 1 des Vertrages hieß es:

"Beide Seiten wollen mit dieser Städtepartnerschaft im Rahmen ihrer kommunalen Zuständigkeiten und Möglichkeiten einen Beitrag zum Frieden und zur Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland leisten."

Der Vertrag gilt heute noch. Für den Artikel 1 jedoch hat die Geschichte und besonders die Menschen aus dem Herbst 89, die sie geschrieben haben, eine andere Antwort gehabt. Ihnen ging das nicht weit genug. Der Fall der Grenze und die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten war das Ergebnis eines mutigen unerschrockenen Aufbruchs. Wir wären nicht da, wo wir heute stehen, wenn es diesen unbeirrbaren Willen und Mut dieser Menschen nicht gegeben hätte. Als ich heute in der Halberstädter Volksstimme den Beitrag der Erinnerungen von Monika Hinz, der Ehefrau unseres Ehrenbürgers Johann-Peter Hinz, las, war ich davon sehr berührt, von seiner Aufrichtigkeit, seinen Mut und dem Wissen um seine Verantwortung für die Stadt und ihre Menschen. Eine Haltung, die sich nicht nur in seiner Arbeit als Künstler, sondern auch als erster frei gewählter Präsident des Stadtrates manifestierte.

Und so waren es Menschen wie Johann-Peter Hinz, Matthias Gabriel als erster frei gewählter Oberbürgermeister an der Spitze der Stadt wie auch der erste neue Stadtrat selbst, die den Partnerschaftsvertrag mit Hilfe vieler Wolfsburger und anderer Menschen aus Niedersachsen wirkliches Leben verliehen.

Wenn man sich die damals im Vertrag formulierten Vorhaben zum gegenseitigen Austausch einmal anschaut, denke ich, sind Zweifel berechtigt, ob die damalige DDR-Führung das tatsächlich so uneingeschränkt zugelassen hätte. Nach der Wiedervereinigung verhalf diese Partnerschaft, den gesellschaftlichen Umbau voranzubringen. Niemand hier wusste, welche Struktur der Aufgaben und welche Personalstruktur für die kommunale Selbstverwaltung notwendig sind, wie der Haushalt einer Stadt auszusehen hat, da man ja bisher alles vorgegeben und vorgeplant hatte, oder welche politischen Gremien - Stadtrat und Ausschüsse - geschaffen werden müssen.

Dank der unkomplizierten Hilfe aus Wolfsburg kam unsere Stadt schnell zu einer gut organisierten und personell gestärkten Verwaltung. Aber auch an anderen Stellen war die Unterstützung wichtig, weil sie geeignet war, sichtbar Hoffnungszeichen für einen neuen Anfang zu setzen. Das war die Beteiligung unserer Partnerstadt an der Niedersachsenhilfe für die Rettung unserer historischen Altstadt. Das war ein wesentlicher Faktor, wenn nicht sogar der entscheidende, für die Auswahl Halberstadts als einzige Stadt in Sachsen-Anhalt als eine der bundesdeutschen Modellstädte für Stadtsanierung. Sie, liebe Gäste aus Wolfsburg, haben sich heute Nachmittag selbst ein Bild davon machen können, was diese Hilfe bewirkt hat - eine Stadt, die sich schön machen konnte mit Historie und Moderne, die wie keine andere Stadt derart ihr Gesicht verändert hat, die selbstbewusst nach vorn schauen kann.

Dafür darf ich stellvertretend für alle Halberstädterinnen und Halberstädter unseren tief empfundenen Dank an die Stadt Wolfsburg übermitteln.

Und wenn wir am 8. November zu Gast in Wolfsburg sein dürfen, werden wir auch ein kleines symbolisches Zeichen unseres Dankes im Gepäck haben.

Liebe Gäste,
wir wissen sehr wohl, dass sich eine Partnerschaft zwischen Städten nicht im Selbstlauf erhält, lebendig wird sie erst, wenn viele Menschen sie im Herzen tragen, sie mit Aktionen füllen und so erst zu einer Verankerung beitragen, Menschen, die ein ehrliches Interesse am Austausch haben, die wechselseitige Besuche und andere Kontaktformen pflegen - Menschen aus der Bürgerschaft, den Vereinen, der Kultur, den Kirchengemeinden, der Politik, den Verwaltungen, der Wirtschaft.

Und so sollen die zahlreichen und erlebnisreichen Begegnungen im 20. Jubiläumsjahr nicht der Höhepunkt sein, nachdem es wieder abflaut, sondern vielmehr der Ausgangspunkt für eine neue Bereicherung der Partnerschaft zwischen Wolfsburg und Halberstadt.

Herzlichen Dank, liebe Gäste,
für Ihren Beitrag zum Gelingen dieser Partnerschaft und des Jubiläumsjahres, herzliche Grüße auch an meinen Amtskollegen, Oberbürgermeister Prof. Schnellecke, der ebenso gerne hier gewesen wäre, jedoch den Ministerpräsidenten Niedersachsens in die Vereinigten Staaten begleiten durfte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Ihnen alles denkbar Gute und noch einen genussvollen Konzertabend mit dem Orchester unseres Nordharzer Städtebundtheaters.

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