Das Museum
Vor ihrem Tode entschied sich Margarete Schraube ihr Erbe der Stadt Halberstadt zu hinterlassen.
Zu Beginn der 80er Jahre des 20. Jh. begann Dr. Horst Scholke, damaliger Leiter des Gleimhauses in Halberstadt, gemeinsam mit Margarte Schraube die Hinterlassenschaften zu sortieren und die Übernahmeformalitäten zu klären. Nach dem Tode von Frau Schraube, 1980, begannen die Mitarbeiter des Gleimhauses die ehemalige Wohnung auf dem Grundstück museal umzugestalten.
1985 konnte in der Voigtei 48 das "Museum für bürgerliche Wohnkultur um 1900" eröffnet werden.
Ab 1992 ging das Gleimhaus in eine freie Trägerschaft über, das "Schraube-Museum" gehörte fortan zum Städtischen Museum. 1997 erfolgte nach ersten Sanierungsmaßnahmen die Wiedereröffnung des Museums
2005 musste der Schwammbefall in einem Teil des Museums, vordringlich im Salon beseitigt werden, dazu war es notwendig, im Bereich des Saales, der 1997 nicht mit in die Restaurierung einbezogen wurde, die gesamte Fensterfront zu erneuern.Das Problem stellte die historische Tapete im Salon dar, die noch aus der Bauphase um 1880 stammte. Ein Restaurator wurde beauftragt, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz übernahm die Kosten von ca. 150 000. Es wurde eine Tapetennachdruck initiiert, die Walzenherstellung erfolgte in Mühlhausen, der Druck in Frankreich auf historischen Maschinen, die in Nordhausen hergestellt wurden.
Am 20. Mai 2007 konnte das Museum nach den umfangreichsten Sanierungsarbeiten seit seiner Eröffnung wieder dem Publikum präsentiert werden.
Margarete Schraube
Margarte Schraube wurde als zweites Kind von Franz und Anna Schraube am 21. März 1903 in der Voigtei in Halberstadt geboren. Ihr Bruder Franz Schraube jun. war 17 Jahre älter. Nach dem Besuch der Auguste Victoria Schule, dem Halberstädter Lyzeum (heute Käthe Kollwitz Gymnasium), erhielt sie im elterlichen Haus eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin, was ihre lebenslange Begeisterung, vor allem jedoch ihr enormes Können bei der Herstellung von Handarbeiten erklärt.
Doch Margarete wollte mehr als nur eine gute Hausfrau und Mutter sein. Sie machte mit 24 Jahren ihr Abitur und begann zu studieren. Von 1929-1934 studierte sie in Kiel, Berlin und Innsbruck Lehramt für Geografie, Sport und Geschichte.
In den ersten Jahren nach dem Studium arbeitete sie 1937/38 als Lehrerin in Salzwedel und Quedlinburg. 1938 erhielt sie an der Schule ihrer eigenen Schülerzeit in Halberstadt eine Stelle. Margarte zog nun wieder in den elterlichen Hof in die Voigtei und sollte bis an ihr Lebensende dort wohnen bleiben.
Ausgedehnte Reisen bildeten dabei den Gegenpol zur Standorttreue und rechtfertigen es, die eingefleischte Halberstädterin als Cosmopolitin zu bezeichnen. Anfänglichen Exkursionen und Kurzausflügen auf die Nordseeinseln, nach Dänemark oder in die Alpen, die sie im Rahmen ihres Studiums unternahm, folgten späterhin zahlreiche Italienfahrten, eine minutiös in Tagebüchern aufgezeichnete Kreuzfahrt übers Mittelmeer nach Griechenland und Nordafrika, mehrere Reisen nach Frankreich, Osteuropa und Asien.
Die letztgenannten, meist mehrere Wochen dauernden Reisen, unternahm Margarete Schraube erst seit sie 1963 in den Ruhestand eingetreten war.
Die zweite Leidenschaft der Margarete Schraube war das Schwimmen, seit sie mit sieben Jahren das nasse Element für sich entdeckt hatte, ließ sie die Begeisterung für den Schwimmsport nicht mehr los. Frau Schraube wurde eine national erfolgreiche Schwimmerin und Turmspringerin, machte im Rahmen ihres Studiums 1931 den SLRG Lehrschein und erneuerte nach dem Zweiten Weltkrieg diese Rettungsschwimmer Lehrberechtigung.
Margarte Schraube starb am 31. Mai 1980 in ihrer geliebten Heimatstadt Halberstadt.
Das Haus Voigtei 48 und die Familie Schraube
Die ältesten nachweisbaren Vorfahren Margarete Schraubes (1903-1980) waren der Dekan des Halberstädter Moritzstifts Christoph Schraube (*1645+1719) und dessen Frau Ursula Lucia Schraube (*1645+1728). Die Vorfahren stammten aus Cölleda, sie besaßen am Ort die Pulverhütte.
Über die Anverwandten, bis hin zu den Urgroßeltern, ist nichts verbürgt, bekannt ist lediglich, dass die Schraubes zeitweise in der Kühlinger Straße ansässig waren.
Die Ahnenreihe lässt sich erst mit den Großeltern Margaretes, dem Färbermeister Ludwig Friedrich Schraube (*1820+1914) und seiner Frau Auguste, geb. Kahmann, wieder aufnehmen. Sie unterhielten bereits vor dem Erwerb der Voigtei 48 eine Färberei in Halberstadt, wie Rechnungen aus den 1850er Jahren belegen.
Diese befand sich in einem Nebengebäude, auf dem Hinterhof der Voigtei 50, das durch einen nicht näher bekannten Urahnen der Familie Schraube 1765 erworben wurde. Durch schräg verlaufende Grundstücksgrenzen grenzte diese erste Werkstatt direkt an die Voigtei 48 an, jenes Hofensemble, das der Großvater Friedrich Schraube dem Bierbrauer Schliephacke im Jahr 1863 abkaufte. Zu diesem Zeitpunkt existierte das Gehöft, das bis dahin als Wohnhaus, Lager, Brauerei und zeitweise auch Schnapsbrennerei genutzt wurde bzw. die Werkstätte eines Stellmachers beherbergte, noch nicht in der heutigen allseitig geschlossenen Form. Das ehemalige Brauereigebäude wurde von Familie Schraube grundlegend umgestaltet und einer neuen Nutzung zugeführt.
Der Färbereibetrieb ging 1881 an Friedrich Schraubes Sohn Franz (*1857+1933) über, der zusammen mit seiner Frau Anna Sophie, geb. Polland (*1864+1950) den Betrieb führte und weitere Um- und Ausbauten am Hof vornahm. So ließ er unter anderem Parkett verlegen, Stuckdecken einbauen und zwischen 1888-90 den Anbau des nordöstlichen Seitenflügels errichten (heutiges Museum), so das sich das Ensemble des Hofes schloss.
Margaretes Eltern heirateten am 11. April 1885 in der Loge am Paulsplan (Freimaurer). Margaretes Mutter Anna stammte aus Rohrsheim, wo ihre Eltern ein landwirtschaftliches Gut bewirtschafteten, das späterhin ihr Bruder Karl Polland, verheiratet mit Anna, übernahm. Die Verpachtung bzw. gänzliche Aufgabe der Färberei muss zwischen 1913 und 1921 erfolgt sein. Verschiedene Nutzer übernahmen in der Folge das westliche Seitengebäude. Neben der chemischen Fabrik "Hercynia" eines Quedlinburger Apothekers waren zeitweise das Fahrradlager der Firma Leopold Bräutigam, das Lager eines Filmvorführers und eine Eierhandlung in den Räumen heimisch.
Der Bruder Margaretes, Franz Schraube, übernahm die Geschäfte des Vaters und führte sie bis wenigstens 1940 weiter. Das Wäschegeschäft existierte bis ca. 1955, kann aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von der Familie geführt worden sein, denn Franz Schraube verzog mit Frau und Kind aus der Voigtei. Margaretes Mutter Anna verstarb im Jahr 1950, siebzehn Jahre später als ihr Mann, und Margarete arbeitete bereits seit 1937 als Lehrerin für Geografie, Geschichte und Sport an der städtischen Oberschule für Mädchen.
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Vorderhaus, das zuvor als Wohnhaus mehrere Generationen der Familie Schraube gleichzeitig beherbergt hatte, Flüchtlinge und Heimkehrer einquartiert. Margarete zog nun, zusammen mit ihrer Mutter, in den östlichen Seitenflügel, der den Saal beherbergte. Hier lebte sie bis zu ihrem Tode 1980.
Zwischen 1960 und 1977 mietete die PGH Tischlere das Werkstattgebäude an, im Vorderhaus wurden die Wohnungen bis in die 1990er Jahre vermietet. Der Laden diente zeitweilig als Lagerraum für verschiedene Nutzer und ab den 1980er Jahren als Verkaufsraum der Konsum Altstadt-Drogerie.
Mit der Einrichtung des Kunstvereins im Haupthaus der Voigtei 48 wurden die ehemaligen Ladenräume ab 2002 zur Galerie umfunktioniert.
Die Nichte Margaretes, Ursel (heute verheiratete Ursula Anna Hulda Wohlfahrt, geb. Schraube * 1923), die Tochter ihres Bruders Franz, lebt noch heute in Halberstadt. Sie schenkte ihre ererbte Hälfte am Grundstück Voigtei 48 1988 der Stadt Halberstadt.
Die Schraubes waren eine wohlhabende, gutbürgerliche Familie, was nicht nur anhand des Grundstücks, der wertvollen Inneneinrichtung des Wohnbereiches und diversen erhaltenen Aktien, Bankscheinen und Briefen sichtbar wird, sondern auch anhand der "Heiratspolitik" der Familie (z.B. Einheirat in Fabrikantenfamilie Woolnought), des standesgemäßen Lebensstils mit großartigen Festen und des ausgeprägten Familienbewusstseins. Dass die Schraubes über ein eigenes Wappen verfügen versteht sich dabei fast von selbst.
Das Museum heute
Das Schlafzimmer...
zeigt Möbel, die nicht in die Zeit um 1900 passen, doch als Familienerbstücke sehenswert sind. Es wurde 1997 nach der Sanierung dieses Bereiches eingerichtet. Die Möbel stammen von der Familie Schraube, einschließlich der Wäsche.
Die Gute Stube ...

gehörte zur Ausstattung einer jeden bürgerlichen Wohnung im 19. Jahrhundert. Sie ist geschmückt mit Bilder und Fotos von Familienangehörigen. Während der große Saal besonderen Anlässen vorbehalten blieb, fand sich in der Guten Stube am Abend die Familie zusammen, musizierte und führte Gespräche.
Auch ein Vertiko und ein Bücherschrank gehören in dieses Zimmer. Kleine Besonderheiten und Details lassen das Zimmer wie bewohnt wirken, so eine abschließbare Zuckerdose, Fächer und ein liebevoll gestaltetes Nähkästchen. Der Ofen stammte aus dem Vorderhaus aus dem Jahre 1910. Nach der Übersiedlung Margaretes hat sie ihn hierher versetzten lassen.
Die Küche ...

ist museal umgestaltet und wurde Originalen und Nachbauten ausgestattet. Der Ofen stammt nicht von der Familie, er ist aus dem Bestand des Städtischen Museums, einer Schenkung aus Wegeleben. Eine Besonderheit ist die "hohe technische Ausstattung" für eine Küche der Wende zum 20. Jahrhundert mit einem Schnellkochtopf von 1910, einer spiritusbetriebenen Filterkaffeemaschine und einem Eisschrank . eine große Anzahl an Bügeleisen - mit Bolzen ausgestattet - ergänzen den Hausrat. Erwähnenswert sind die Bohnenschnippelmaschine, die Saftpresse oder auch das Alltagsgeschirr aus Nickel und Zinn.
Der Flurbereich...
ist museal mit Vitrinen umgestaltet, dort sind die Dinge ausgestellt, die der Besucher sonst nicht sieht, da sie in Schränken verborgen sind - Geschirr und Zierrat der Familie Schraube mit Porzellan aus der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur in Berlin und aus Meißen,
Bestecke aus Silber, teilvergoldet, mit den Monogrammen (MS = Margarete Schraube) oder AS oder AP (= Anna Schraube, Anna Polland - ihre Mutter) versehen und viele Dinge mehr.
Im vorderen Bereich ergänzen zwei Bilderrahmen die Eindrücke des Museums durch Fotoaufnahmen der Originaleinrichtung, der Familie und der letzten Bewohnerin, Margarete Schraube. Die anderen Bilderrahmen dokumentieren die Sammelleidenschaft von Frau Schraube. Keine Karte, kein Brief, kein Bild wurde vernichtet, alles wurde aufgehoben und verwahrt. Die Postkartensammlung gibt einen Einblick in die künstlerische Gestaltung der Jahrhundertwende (19/20. Jh.). In einigen Rahmen sind auch Sammelbilder ausgestellt, sozusagen die Vorgänger heutige Kaugummi-und Schokoladenbilder, sie stammen von der bekannten und beliebten Firma "Liebig".
Der Salon...
ist das Prunkstück der Ausstellung. Im Original erhalten geblieben, wurde er bis 1980 von Frau Schraube genutzt. Vor Zerstörung der Stadt gab es mehrere dieser Salons, meist in der Gründerzeit, zwischen 1871 und 1890 entstanden. Man kann ihn als das bürgerliche Gegenstück zum adligen Salon im Schloss Wernigerode bezeichnen, ihre Entstehung ist fast zeitgleich. Tapete und Decke sind im Original erhalten. An der Decke sind in den vier Ecken die vier Jahreszeiten dargestellt, letztmalig 1976 restauriert, wurde sie während der Sanierungsarbeiten 2005 bis 2007 teilweise ebenfalls abgenommen und wieder hergestellt.
Der prunkvolle Ofen stammt aus der Gießerei in Ilsenburg, wiegt 600 kg und, für diesen großen Raum konzipiert, schafft er die Beheizung mühelos. Möbel sind Familienerbstücke ergänzen das Amiente, daraus erklären sich die verschiedenen Stielepochen. Das Buffet wurde jedoch speziell für diesen Raum in Auftrag gegeben und stammt aus der Zeit um 1890, so auch die Stühle und Tische. Die Bilder an den Wänden stellen ein Mix aus Ölbildern, Klebebildern, Zeichnungen, Drucken dar. Auch eine Vielfalt von Stahlstichen von Lorenz Richter und Radierungen von Käte Rümpler sind vorhanden.Die Tisch- und Hauswäsche ist komplett von der Familie Schraube, da Margarete nicht verheiratet war, blieb ihre gesamte Aussteuer fast neuwertig erhalten, zudem hat sie selbst sehr gerne Handarbeiten ausgeführt, deshalb ist die Vielfalt an Tisch- und Zierwäsche erstaunlich und sehenswert.